Eigentumsübertragung an beweglichen Sachen:
- eine rechtsvergleichende Analyse von Berfin Öztürk -
Dieser Beitrag befasst sich in einem ersten Schritt mit den in verschiedenen Rechtsordnungen vorherrschenden Modellen der Eigentumsübertragung an beweglichen Sachen. In einem zweiten Schritt soll die Eigentumsübertragung rechtsvergleichend aus südafrikanischer Sicht betrachtet werden.
I. Eigentumsübertragung im Generellen
Für die Übertragung des Eigentums beweglicher Sachen haben sich in den verschiedenen Rechtsfamilien der Welt unterschiedliche Modelle entwickelt. Diese können in folgende drei Modelle grob untergliedert werden: das französische, das österreichische und das deutsche Modell.
1. Das französische Modell
Der französische Code civil erfordert für die Übertragung des Eigentums lediglich einen wirksamen schuldrechtlichen Vertrag. Im Falle eines Kaufs geht das Eigentum somit mit dem wirksamen Abschluss des Kaufvertrags vom Verkäufer auf den Käufer über, Art. 1583 Code civil. Da es sich hierbei nur um einen Rechtsakt handelt, spricht man auch vom Konsensualprinzip. Dieses französische Modell hat sich auch in anderen Rechtsordnungen weltweit durchgesetzt, wie zum Beispiel in Italien, Portugal und Polen.
2. Das österreichische Modell
Dagegen verlangt das österreichische ABGB nicht nur einen wirksamen Erwerbstitel (titulus, z.B. ein Kaufvertrag), sondern auch die Übergabe der beweglichen Sache (modus acquirendi), § 1053 ABGB. Damit erfolgt eine Trennung in Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft (Trennungsprinzip). dabei darf der Titel, also der zugrundeliegende schuldrechtliche Vertrag aber nicht fehlerhaft sein. Damit ist die Übertragung des Eigentums abhängig von dem Vorliegen eines wirksamen Titels. Dies wird auch als Kausalprinzip bezeichnet und hat u.a. auch in den Rechtsordnungen Spaniens und der Schweiz Einschlag gefunden.
3. Das deutsche Modell
Die deutsche Rechtsordnung trennt ebenfalls nach Verfügungs- und Verpflichtungsgeschäft.
Schuldrechtlich wird ein Kaufvertrag abgeschlossen, aus welchem der Gläubiger des Kaufvertrages die Eigentumsübertragung fordern kann, § 241 Abs. 1 BGB (der Gläubiger wird durch den Kaufvertrag aber gerade nicht Eigentümer!). Hinzu tritt auf sachenrechtlicher Ebene ein dinglicher Vertrag (die Einigung über die Eigentumsübertragung) und die Übergabe, § 929 S. 1 BGB. Das Eigentum wird demnach ebenfalls durch den Willen, das Eigentum zu übertragen (dinglicher Vertrag) und die Übergabe übertragen. Das deutsche Modell geht aber insofern weiter als das österreichische Modell, als dass auch das Abstraktionsprinzip zur Anwendung gelangt. Das Abstraktionsprinzip besagt, dass das Verpflichtungsgeschäft und das Verfügungsgeschäft in ihrer Wirksamkeit nicht voneinander abhängen (Oechsler/MüKo BGB 7, Auflage 2017, § 929 Rn.10). So kann der zugrundeliegende Kaufvertrag unwirksam sein, ohne dass die Eigentumsübertragung davon berührt ist. Dieses Modell findet sich europaweit nur in Deutschland und in leicht modifizierter Form in Griechenland wieder.
II. Eigentumsübertragung in Südafrika
Im folgenden soll die Eigentumsübertragung im südafrikanischen Recht analysiert und in einen Vergleich zu den erläuterten Modellen gesetzt werden.
Die Eigentumsübertragung nach südafrikanischen Recht erfolgt nicht wie im französischen Recht durch einen bloßen schuldrechtlichen Vertrag zwischen den Parteien. Ähnlich wie im deutschen und österreichischem Recht, schafft der Schuldvertrag lediglich persönliche Rechte und Pflichten. Es bedarf eines weiteren Rechtsaktes, um das Eigentum zu übertragen. (Van der Merwe, du Plessis, Zimmermann/ Introduction to the Law of South Africa, S. 214). An diesen weiteren Rechtsakt sind folgende zwei Voraussetzungen geknüpft: Erstens muss eine Vereinbarung über den Übergang des Eigentums zwischen den Parteien getroffen werden, zweitens muss irgendeine Art von Transport vorliegen (Du Bois/Wille’s Principles of South African Law, S. 519). Bei beweglichen Sachen meint Transport die Übergabe der Sache (“delivery”) (Van der Merwe, du Plessis, Zimmermann/Introduction to the Law of South Africa, S. 214 f.). Das heißt, dass auch im südafrikanischen Recht streng zwischen dem Grund für die Übertragung (der Schuldvertrag) und der eigentlichen Übertragung des Eigentums unterschieden wird (Du Bois/Wille’s Principals of South African Law, S. 520). Demnach findet zumindest das Trennungsprinzip Einschlag im südafrikanischen Recht. Hierin liegt ein erster großer Unterschied zu den französisch geprägten Rechtsordnungen (s.o.)
Unterschiedlich beantwortet wird die Frage, ob auch das Abstraktionsprinzip im südafrikanischen Recht zur Anwendung gelangt.
Ältere Entscheidungen folgen der Annahme, dass ein unwirksamer Rechtsgrund für eine Eigentumsübertragung nicht nur die vertragliche Vereinbarung, sondern auch die dingliche Vereinbarung beeinträchtigt. In diesen Fällen wird zwischen schon nichtigen und “nur” anfechtbaren Verträgen unterschieden. Liegt ein nichtiger (Kauf-) Vertrag zugrunde, so kann das Eigentum nicht übertragen werden. Ist ein zugrundeliegender Vertrag nur anfechtbar, schadet dies der Eigentumsübertragung nicht. Das ist aber das Gegenteil des Abstraktionsprinzips: Das Abstraktionsprinzip fragt gerad nicht nach der Wirksamkeit der vertraglichen Vereinbarung, sondern lediglich nach der Wirksamkeit des Verfügungsgeschäfts, also ob die Parteien sich über den Eigentumsübergang einig waren und die Sache übergeben wurde (Du Bois/Wille’s Principals of South African Law, S. 524).
Im Laufe der Zeit hat sich jedoch eine Änderung der Ansicht der südafrikanischen Gerichte bemerkbar gemacht. So wird in einem Urteil der Annahme widersprochen, dass ein schuldrechtlicher Vertrag zwingend notwendig ist, um Eigentum zu übertragen (Miller/Southern Cross Ch. 22, S 737). Einige Urteile sprechen nicht von anfechtbaren Verträgen (“contracts”), sondern von anfechtbaren “transactions”, was darauf hindeutet, dass nicht die Anfechtbarkeit des Verpflichtungsgeschäftes, sondern die Anfechtbarkeit des Verfügungsgeschäftes gemeint ist. Auch wird der “consent” (Einverständnis, die dingliche Einigung) nicht in Bezug auf den Vertrag, sondern in Bezug auf die “passing of the property”, also auf den Eigentumsübergang geprüft (Dalrymple, Frank and Feinstein v. Friedman et al (2), 1959 (4) SA 649 (W), S. 665; Silberberg/Law of Property, S.151 f.). Dies wiederum spricht dafür, dass der Eigentumsübergang unabhängig vom zugrundeliegenden Vertrag erfolgt, also für das Abstraktionsprinzip.
An anderer Stelle heißt es:
“Deurdat ons howe’n abstrakte stelsel van eiendomsoordrag volg, staan die geldigheid van die eiendomsoordrag los van die geldigheid van enige verbintenis-skeppende of onderliggende ooreenkoms.” (Bank Windhoek Bpk v. Rajie 1994 (1) SA 115 (A), S. 141)
Übersetzt bedeutet das:
“Da unsere Gerichte einem abstrakten System der Eigentumsübertragung unterliegen, ist die Gültigkeit der Eigentumsübertragung unabhängig von der Gültigkeit einer Verpflichtung oder einer zugrunde liegenden Vereinbarung.”
Auch in der Literatur herrscht die Annahme vor, dass Südafrika dem Abstraktionsprinzip folgt (Miller/Southern Cross Ch. 22, S. 738; du Plessis/Unjustified Enrichment, S. 219). So formuliert Zimmermann wie folgt:
“In German and South African Law conveyance of the property is not only separate from the underlying obligatory act, it is also to be evaluated entirely independently and on its own merits” (Zimmermann/The Law of Obligations, S. 271).
Zwar soll es Stimmen geben, die sich gegen das Abstraktionsprinzip und damit für das Kausalprinzip aussprechen, allerdings fanden diese keine generelle Anerkennung (Du Plessis/Unjustified Enrichment, S. 219 f.).Damit ist für die Eigentumsübertragung lediglich die Wirksamkeit der dinglichen Einigung (“real agreement”) von Belang. Im Ergebnis folgt das südafrikanische Recht also dem deutschen Beispiel. Auch wenn die südafrikanischen Gerichte in früherer Zeit die Abstraktheit von Verfügungs- und Verpflichtungsgeschäft verneint haben, so wenden sie in neueren Urteilen das Abstraktionsprinzip an.
Allerdings gibt es bestimmte Verträge, wie z.B. den illegalen Diamantenhandel oder der Verkauf von Alkohol an Minderjährige, bei welchen sich der Mangel (“vitiating element”) sowohl auf die vertragliche, als auch auf die dingliche Einigung auswirkt, sodass ein Eigentumsübergang ausgeschlossen ist (Van der Merwe, du Plessis, Zimmermann/Introduction to the Law of South Africa, S. 214 f.). Dies stellt eine wichtige Ausnahme vom Abstraktionsprinzip im südafrikanischen Recht dar.