Das Betreuungsrecht in Deutschland und Südafrika
- Analyse der länderspezifischen Bestimmungen von Matthias Giebler -
1. Einleitung
Im Folgenden soll auf die Voraussetzungen der Bestellung eines rechtliches Betreuers (südafr.: Curator) eingegangen werden, welche Gemeinsamkeiten beiden Rechtssystemen anhaften und an welcher Stelle Unterschiede bestehen. Besondere Aufmerksamkeit soll dabei der Geschäftsfähigkeit des Betreuten und dem damit verbundenen Umfang der Bevollmächtigung des Betreuers und dessen Aufgabenbereichen, den antragsbezogenen sowie den materiellen Voraussetzungen der Betreuung gewidmet werden.
II. Begriffsbestimmungen und Entwicklung des Betreuungsrechts in Deutschland
Die Bestellung eines rechtlichen Betreuers (bzw. eines Curators) wird dann in Betracht gezogen, wenn der Betreute bestimmte Rechtshandlungen nicht mehr vornehmen kann. In diesem Falle wird dem Betreuer / Curator die Vertretungsmacht erteilt, die Handlungen stellvertretend für den Betreuten vorzunehmen. Das am 01.01.1992 in Kraft getretene und in §§ 1896 bis 1908i BGB geregelte Recht über die Betreuung einer natürlichen Person hat das zuvor in Deutschland auch für Erwachsene geltende Vormundschaftsrecht abgelöst und seitdem durch insgesamt 3 Betreuungsrechtsänderungsgesetze (BtÄndG) sowie das “Gesetz zur Änderung des Vormundschafts- und Betreuungsrechts” vom 29.06.2011 zahlreiche Modifikationen erfahren.
Das 1. Änderungsgesetz hat u.a. dem Umstand Rechnung getragen, dass oftmals Pflegepersonal zur Vornahme von Rechtshandlungen bevollmächtigt wurde und dem Betreuungsbedürftigen unter Ausnutzung dieser Rechtsstellung finanzielle Nachteile zufügte. Grundsätzlich regelt § 1896 Abs. 2 S.2 BGB, dass es einer Betreuung nicht bedarf, sofern die Angelegenheiten des Betreuungsbedürftigen alternativ auch durch Bevollmächtigung eines anderen erledigt werden können. In §§ 1896 Abs. 2, 1897, Abs. 3 BGB ist nunmehr geregelt, dass eine Pflegekraft nicht zum Betreuer ernannt bzw. bevollmächtigt werden darf.
Dem 2. und 3. BtÄndG lagen neben der Stärkung des Selbstbestimmungsrechts des Betreuten, gegen dessen freien Willen ein Betreuer zukünftig nicht mehr bestellt werden dürfe, hingegen vordergründig ökonomische und strukturelle Aspekte zu Grunde. Im Rahmen des letztgenannten Gesetzes wurde schließlich u.a. eingeführt, dass der Betreuer bei Nichteinhaltung des erforderlichen persönlichen Kontakts zum Betreuten entlassen werden kann. Im südafrikanischen Recht ist die Bestellung des Curators in Art. 57 der “Uniform Rules of Court” festgelegt.
III. Die Geschäftsfähigkeit des Betreuungsbedürftigen
1. Als Voraussetzung für die Beantragung der Bestellung
Nach § 1896 Abs. 1 S.2 BGB kommt es weder für die Beantragung der Bestellung eines Betreuers, noch für die Erteilung einer Vollmacht darauf an, ob die zu betreuende Person geschäftsfähig ist. Hierunter versteht man die Fähigkeit, sich selbst durch rechtsgeschäftliche Erklärungen wirksam binden zu können, wozu ein Mindestmaß an Einsichtsfähigkeit vorhanden sein muss. Daran fehlt es, sofern die Voraussetzungen des § 104 BGB vorliegen, der Betroffene sich also “in einem die freie Willensbestimmung ausschliessenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit befindet”. Im südafrikanischen Betreuungsrecht ist die Geschäftsfähigkeit im Gegensatz hierzu zwingende Voraussetzung für die Erteilung einer Vollmacht. Geschäftsunfähige können zwar betreut werden, im Gegensatz zum deutschen Recht, wird der Antrag auf Betreuung jedoch auch nicht vom Betreuungsbedürftigen selbst gestellt, sodass dieser auch nicht von dessen Geschäftsfähigkeit abhängen kann (Näheres s.u.).
Bei der Person des Betreuten muss es sich nach deutschem Recht gemäß § 1896 BGB allerdings um einen Volljährigen handeln, der bereits das 18. Lebensjahr vollendet hat. In diesem Zusammenhang ist § 1908a BGB zu beachten, wonach auch vorsorgliche Maßnahmen die Betreuung betreffend getroffen werden können, die allerdings erst mit Vollendung des 18. Lebensjahres in Kraft treten.
2. Auswirkungen der Betreuung auf die Geschäftsfähigkeit
a. Grundsätzliches
Grundsätzlich bleibt der Betreute in Deutschland nach wie vor berechtigt, alle Angelegenheiten selbst wahrzunehmen, sofern sie nicht dem Betreuer übertragen worden sind. Außerhalb dieses Aufgabenkreises kann der Betreute eigenständig handeln. So stehen ihm insbesondere das Recht zur Eheschließung sowie das Wahlrecht gem. Art. 38 Abs. 2 GG zu, jegliche Arten von Verträgen können außerdem eigenständig abgeschlossen werden. Nach südafrikanischen Recht bleibt dem Betreuten ebenfalls ein Bereich eigener, persönlicher Handlungsfähigkeit, wobei die Einschränkungen hier in einigen Fällen weitreichender sein können.
b. Umfang der Vertretungsmacht des Betreuers (§§ 1896 Abs.2, 1901 BGB)
Diese hängen nämlich davon ab, in welchem Umfang der jeweilige Betreuer bevollmächtigt wurde, welche Angelegenheiten und Aufgabenbereiche ihm also zur Interessenswahrnehmung übertragen worden sind (vgl. § 1896 Abs. 2 S. 1 BGB). Der Gesetzesgeber hat in Deutschland diesbezüglich keine Regelungen getroffen, sodass die Aufgabenbereiche frei bestimmt und vereinbart werden können. Dies geschieht durch genaue Formulierung der zu betreuenden Bereiche seitens des zuständigen Gerichts. Beispielsweise kann der Betreuer nur mit der Interessenwahrnehmung im Bereich des Post- und Fernmeldeverkehrs betraut werden (§ 1896 Abs. 4 BGB), dann unterliegen sämtliche hiervon nicht mehr tangierte Bereiche dem eigenen Verantwortungsbereich des Betreuten. In § 1901 BGB ist wiederum festgehalten, wie sich der Betreuer gegenüber dem Betreuten bei der Wahrnehmung der Geschäfte zu verhalten hat. So ist er beispielsweise verpflichtet, dem “Wohl (Abs.2) . . . und den . . . Wünschen (Abs.3) des Betreuten zu entsprechen” und wichtige Angelegenheiten vor deren Wahrnehmung mit dem Betreuten zu besprechen.
Im Gegensatz hierzu gibt es im südafrikanischen Recht drei vorgeschriebene Formen des Betreuers (Curator), den Curator personae, den Curator bonis und den Curator ad litem. Die Curators können allerdings sowohl generell für den gesamten, vom jeweiligen Begriff umfassten Bereich, als auch für spezielle Teilbereiche oftmals in formaler Natur erschöpfen wird.
Zu bedenken ist darüber hinaus jedoch, dass in Deutschland grundsätzlich einem Betreuer verschiedene Betreuungsbereiche jeglicher Art zugewiesen werden können, während in Südafrika eine strikte Konnexität zwischen jeweiligem Curator und dessen Aufgabenbereich besteht, somit bei der Betreuungsbedürftigkeit aus verschiedenen Curatorship-Aufgabenbereichen zwingend auch mehrere unterschiedliche “Curators” für ein und dieselbe Person zuständig sind. In Deutschland besteht diese Möglichkeit gemäß § 1899 BGB ebenfalls, sie ist jedoch nur optional und hängt davon ab, ob die Angelegenheiten durch eine Person in ausreichendem Maße wahrgenommen werden können.
Die Curatorships lassen sich wie folgt unterteilen:
1. Der Curator personae ist mit der Wahrnehmung der persönlichen Angelegenheiten betraut. Hierzu gehört etwa die Bestimmung des Aufenthaltsortes, die Entscheidung in medizinischen Fragestellungen sowie generelle Fragen des Wohlbefindens des Betreuten.
2. Der Curator bonis hingegen wird in finanziellen und grundstücksbezogenen Angelegenheiten tätig und der
3. Curator ad litem vertritt den Betreuten in zivilrechtlichen Verfahren, sofern es diesem nicht möglich ist, selbstständig an einem Verfahren teilzunehmen.
IV. Das Antragsverfahren
Der auf die Bestellung eines Betreuers gerichtete Antrag ist an die Voraussetzungen des § 1896 BGB gebunden. Demnach ist der Antrag in Deutschland vom Betreuungsbedürftigen selbst zu stellen, wobei es keine Rolle spielt, ob der Antragssteller geschäftsfähig ist (s.o.). Lediglich die Möglichkeit der Willensbekundung wird vorausgesetzt. Ist dieser feststellbar, so darf nicht gegen ihn entschieden werden (§ 1896 Abs. 1a BGB). Alternativ kann die Bestellung eines Betreuers auch vom Amts wegen durch das Betreuungsgericht erfolgen.
Dem gegenüber ist nach südafrikanischem Recht ein Antrag an den ”High Court“ zu stellen und zwar nicht vom Betroffenen selbst, sonder von jeder beliebigen anderen Person, die von der Notwendigkeit einer Betreuung überzeugt ist (“Any person desirous of making application to the court for an order declaring another person (hereinafter referred to as ‘the patient’) to be of unsound mind and as such incapable of managing his affairs . . . “. Daneben sind in Art. 57 der High Court Rule eine Reihe weiterer Voraussetzungen genannt: So muss zum einen eine ausführliche Begründung dargebracht werden, aus welcher sich die persönlichen Angaben des Betreuten, das Krankheitsbild und die Gesamtumstände ergeben. Darüber hinaus soll eine eidesstattliche Versicherung einer dem Betreuten nahestehenden Person sowie zwei ärztliche Gutachten, welche die Betreuungsbedürftigkeit bestätigen und von denen eines von einem Psychiater erstellt wurde, beigebracht werden. Deren Beurteilung entscheidet darüber, inwieweit die geistige Störung die Person in der Wahrnehmung ihrer Angelegenheiten beeinträchtigt.
V. Voraussetzungen an die Person des Betreuers
Vorangestellt sei hier der Wortlaut des § 1897 Abs. 1 BGB:
“ Zum Betreuer bestellt das Betreuungsgericht eine natürliche Person, die geeignet ist, in dem gerichtlich bestimmten Aufgabenkreis die Angelegenheiten des Betreuten rechtlich zu besorgen und ihn in dem hierfür erforderlichen Umfang persönlich zu betreuen.”
Dem gegenüber heißt es in Rule 57 Nr. 10:
“the court may direct service of the application on the patient or may declare the patient to be of unsound mind and incapable of managing his own affairs and appoint a suitable person as curator to his person or property or both on such terms as to it may seem meet . . . ”
Im Wesentlichen stellen beide Rechtssysteme somit auf die Eignung des Betreuers zur Besorgung der Angelegenheiten des Betroffenen ab. Hierbei handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, dessen Ausgestaltung zumindest zum Teil im Ermessen des Gerichts liegt. Zu berücksichtigende Anhaltspunkte können hier die persönliche Verbundenheit mit dem Betreuten (§ 1897 Abs. 5 BGB), die Erfahrung im jeweiligen Betreuungsbereich, ausreichende zur Verfügung stehende Zeit im Verhältnis zum Umfang des Aufgabenbereichs und andere gleichartige Kriterien sein. Des weiteren soll vermieden werden, dass der Betreuer seiner Tätigkeit beruflich bedingt nachgeht und daher vorzugswürdig eine ehrenamtliche Person bestellt werden (§ 1897 Abs. 6 BGB). Wird festgestellt, dass eine oder mehrere Personen zur Wahrnehmung der betreuungsrechtlichen Interessen nicht ausreichen, so ist nach § 1900 BGB ein Betreuungsverein zu bestellen. Auch dies kann in Einzelfällen nicht ausreichen. Für diesen Fall wird dem Betreuungsgericht die Möglichkeit der Bestellung der zuständigen Behörde als Betreuungsinstanz eingeräumt (Abs. 4).
Grundsätzlich ist bei beiden Gesetzen ebenfalls gemein, dass die Person des Betreuers vorgeschlagen werden darf und im Regelfall auch wird. In Deutschland ist sodann dem Vorschlag des Betreuten zu entsprechen, solange sich nicht aufdrängt, dass der Vorschlag dessen Wohl zuwider läuft. Andernfalls sind die persönlichen und familiären Verhältnisse des Betroffenen zu analysieren und anschließend ist vordergründig aus diesem Umfeld ein geeigneter Betreuer zu bestimmen. Erneut steht dies im Gegensatz zum südafrikanischen Rechtssystem, da hier der Betroffene keinen Einfluss auf die Person des Curators hat. Dieser wird allein vom Antragsteller vorgeschlagen und seitens des Gerichts abgesegnet oder andernfalls der Antrag in diesem Punkt abgelehnt.
VI. Es zeigt sich bei abschließender Betrachtung, dass in den diesem Vergleich zugrunde liegenden Ländern ähnliche Voraussetzungen an die Bestellung eines Betreuers geknüpft werden. Die Unterschiede liegen im Detail, können aber beachtliche Auswirkungen auf den Bestellungsprozess haben. Während die Unterteilung in verschiedene Curatorship-Formen eher formaler Natur daherkommt, haben die Anforderungen an die Identität des Antragstellers oder die zahlreichenden, in Deutschland existierenden Schutzbestimmungen, um den Missbrauch der Betreuerstellung durch Berufsbetreuer zu vermeiden, entschieden größeren Einfluss auf die Betreuung. Letztlich steht jedoch bei beiden Systemen in vergleichbarer Schutzrichtung das Ziel im Vordergrund, eine für die Wahrung des Wohls des Betreuten geeignete Personen zu bestimmen und somit die größtmögliche Interessenwahrnehmung zu gewährleisten.